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Kleine feine Orte für die Kunst

18.03.2025 | Alena Groote

Warum (Künstler*innen betriebene) Off- & Non-Profit Räume nicht übersehen werden sollten.

Zum Ende meines Praktikums hier im ESSZIMMER kann ich eines festhalten: (Künstler*innen betriebene) Off- & Non-Profit Räume sind wichtig, nicht nur für „die Kunstszene“, sondern für alle. Sie bieten den ausstellenden wie auch den rezipierenden Menschen alternative Möglichkeiten, Kunst wahrzunehmen, mit ihr umzugehen und umgeben zu sein. In meiner Zeit hier habe ich die beiden Ausstellungen Rymdprogrammet: Refectorium und Nach der Zukunft / Post Future miterlebt und nachbereitet. Durch diese und vergangene Projekte des ESSZIMMERs habe ich Näheres über das Zusammenarbeiten mit und Ausstellen in nicht-kommerziellen Ausstellungsräumen erfahren.

Ich denke die Gründe, weshalb ich mich für eine Praktikum im ESSZIMMER entschieden habe, ähneln denen weshalb Künstler*innen und/oder Kurator*innen mit (Künstler*innen betriebene) Off-Spaces kooperieren: Freiheit zum Experimentieren, Erweitern von Netzwerken/Communities und freundschaftlicher Austausch und Support.

So zum Beispiel kam es bislang zu zwei innovativen Kooperationsprojekten zwischen dem ESSZIMMER und nicht-kommerziellen Galerien in Schweden:
Rymdprogrammet ist eine konzeptionelle Plattform für künstlerische Zusammenarbeit, welche die von Künstler*innen betriebenen Molekyl Gallery in Malmö/SE erweitert. Im Zentrum steht das Experimentieren mit vielfältigen Ausdrucksformen und Themen, wodurch Synergiepotenziale zwischen den eingeladenen Künstler*innen entstehen. Das entspricht nicht nur dem Anliegen und Programm des ESSZIMMERs (weshalb es zu der Ausstellung letztes Jahr kam), sondern es zeigt auch, dass alternative „unkonventionelle“ Konzepte des Kuratierens und Kooperierens spannend und wertvoll sind. In der Publikation zu dieser Ausstellung besprechen die Künstler*innen-Kurator*innen Sibylle Feucht und Johan Sandström zudem die Begriffe „Network“ und „Community“ und inwiefern sie in der unabhängigen Kunst genutzt werden können – ich kann nur empfehlen, dieses Gespräch zu lesen.
Gemeinsam mit der ebenfalls Künstler*innen betriebenen ID:I Galleri in Stockholm/SE realisierte DAS ESSZIMMER 2018 ein außergewöhnliches Kooperations-, Austausch- und Ausstellungsprojekt. In einem ersten Teil übernahmen die Künstler*innen-Kurator*innen Alexander Mood und Annelie Wallin von ID:I Galleri die Räumlichkeiten in Bonn und präsentierten zehn künstlerische Einzelpositionen sowie ein Videoprogramm. Im zweiten Teil nutze DAS ESSZIMMER wiederrum die Ausstellungsräume in Stockholm und zeigte innerhalb von vier Wochen zwölf internationale Künstler*innen in vier Ausstellungen.
Solche Projekte habe ich auf der institutionellen Ebene von Museen oder kommerziellen Galerien bislang nicht mitbekommen – ihnen fehlen wohl eben diese intimeren und experimentierfreudigen Interessen und Ansätze. Während der Zeit in Schweden fand zudem ein Gespräch mit Künstler*innen, Kurator*innen und Kritiker*innen zu dem Ausstellungs- und Kooperationsprojekt zwischen ID:I Galleri und DAS ESSZIMMER statt – zu finden auf dem YouTube-Kanal von DAS ESSZIMMER.

Andreas Ribbung war bei dem Gespräch eine*r der Sprecher*innen. Ribbung ist unter anderem Mitgründer und creative director von SUPERMARKET – Stockholm Independent Art Fair. Supermarket widmet sich dem Ausstellen von Künstler*innen geführten und/oder mobilen Kunsträume, Künstler*innenkollektiven und unabhängigen Künstlerinitiativen jeglicher Form und aus aller Welt. Das Hauptziel besteht darin, einzigartige Projekte zu zeigen, Möglichkeiten für neue lokale und internationale Netzwerke zu schaffen und die Stärken der unabhängigen Kunstwelt mit einem breiten Publikum zu teilen. Veranstaltungen wie diese oder auch Platforms Project (DAS ESSZIMMER hat bei beiden teilgenommen: Supermarket | Platforms Project) sind meiner Auffassung nach nicht nur wichtig für die Kunsträume selbst, sondern eben auch um Menschen „außerhalb“ zu erreichen.

Doch nicht nur solche offiziellen Anlässe bieten die Gelegenheit unabhängige und künstlerische Netzwerk auszubauen und zu stärken, vieles geht auch über private Kontakte.
Während der Vorstellung des 27. SALON MAGAZINs De Belgische Connectie, eine begleitende Veranstaltung der letzten Ausstellung im ESSZIMMER, erzählte der Künstler und Kurator Reinhard Doubrawa u.a. von seiner Verbindung zur belgischen Kunstszene. Diese lässt sich auf einen damaligen Gaststudenten zurückführen, der seine Bekanntschaften großzügig mit ihm teilte und ihn so in die unabhängige Kunstszene Belgiens integrierte. Doubrawa sprach auch von einer Art Anarchie, die dort herrsche und besonders durch die Dichte an Künstler*innen betriebenen Räumen bestehe. Durch die jahrelange Verbindung zu Belgien kam es so 2024 zu der Zusammenarbeit mit 18 belgischen Künstler*innen für das SALON MAGAZIN.
Auch diese Geschichte zeigt, wie durch (internationales) Zusammenschließen und -arbeiten freundschaftliche und langanhaltende Verbindungen entstehen können, die das Kuratieren und Ausstellen neu auslohten.

Ich denke heutzutage, wo einerseits die Frage nach öffentlich zugänglicher Kunst präsent ist und andererseits die meisten Menschen Kunst wenn online und gefiltert „konsumieren“, kleine feine Ausstellungsräume die Gelegenheit bieten, Kunst (anders) zu erleben.
Als Besucher*in kann ich der Kunst hier viel eher auf Augenhöhe begegnen: keine Absperrung, die eine Distanz vorgibt, keine Beschriftungen, die die eigene Interpretation beeinflussen oder Sicherheitspersonal, welches die Kunst vor den Menschen schützt. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit viel höher mit den Künstler*innen selbst in Kontakt zu kommen oder durch begleitende Veranstaltungen weitere Aspekte zu Themen und Ausstellungen zu gewinnen.
Dadurch muss es beim Galeriebesuch nicht beim bloßen Betrachten bleiben. Es kann ein viel zirkulierender Prozess entstehen. Dafür muss man die Werke nicht immer „verstehen“ – vielmehr sollte man die Bereitschaft mitbringen, sich auf die Kunst einzulassen, auch oder eben wenn sie einen irritiert.

Genau diese Gelegenheit der aktiven Auseinandersetzung mit Kunst und ein breites Spektrum an Ausstellungen bieten nicht-kommerzielle Räume wie DAS ESSZIMMER jeder Person kostenlos. – Daher sollten (Künstler*innen betriebene) Off- & Non-Profit Ausstellungsräume nicht übersehen werden. Sie sind nicht nur Experimentierraum für Künstler*innen und/oder Kurator*innen, sondern ermöglichen allen Personen, egal ob „in“ oder „außerhalb“ „der Kunstszene“ eine emanzipierte Gestaltung des eigenen kulturellen Bildungswegs.