Zwischen abstrakten Skulpturen und weißen, scheinbar unbemalten Leinwänden hängen Bananen, Videoinstallationen flackern über die Museumswände und tanzenden Robotern warten einem auf. Zeitgenössische Kunst kommt in den unterschiedlichsten Formen und Farben zum Ausdruck und erfordert dabei eine Menge Resilienz von Seiten der Betrachtenden. Denn wer Sicherheit und Zuverlässigkeit will, wird in der heutigen Kunstwelt unglücklich – oder nicht? Können wir alle unabhängig von Vorlieben mit und durch die Kunst resilient werden? Im Zusammenhang mit der Ausstellungsreihe des Esszimmers – Raum für Kunst+, in welcher Resilienz als Überthema herrscht, habe ich intensiv darüber nachgedacht in welcher Symbiose zeitgenössischer Kunst und Resilienz einhergehen und wie diese vielleicht auch dort geboren wird. Wie gehen wir heute mit der Kunst unserer Zeit um und welche Rolle spielt Resilienz in dieser Diskussion? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen ist es unabdingbar unser historisches Kunstverständnis näher zu beleuchten.
In der europäischen Kunstgeschichte stütze sich das Verständnis von Kunst hauptsächlich auf zwei Kriterien: (Kunst)Fertigkeit und Ästhetik. Definiert als ”skill as a result of learning or practice” sollten Gemälde und Skulpturen kunstvoll gefertigt und geschaffen sein, um als große Kunst zu gelten. Die ”alten Meister” wie Rembrandt, Van Gogh, Dürer oder Monet fielen durch ihren einzigartigen Malstil auf der bis heute studiert wird und Künstler*innen beeinflusst. Aber natürlich kommt es auch auf das Sujet des Kunstwerks an. Die bildende Kunst wird mit Schönheit und Ästhetik assoziiert. In der Aufklärung wurde zur Einstufung von Kunst ein ihr inhärenter ästhetischer Wert festgelegt – im Gegensatz zum Hässlichen. Ob etwas als Kunst galt, hing maßgeblich von der Kunstfertigkeit des Werkes ab, musste aber gleichzeitig auch einem ästhetischen Anspruch genügen.
Dieses Blatt dreht sich spätestens Anfang des 20 Jahrhunderts mit den Dadaisten, Marcel Duchamp und seiner „Fountaine“ (1917), Pietro Manzoni und der Künstlerscheisse (1961). Gleich einem Vulkanausbruch wird das traditionelle Verständnis von Kunst erschüttert und mit einem Lavaerguss aus Kunstwerken in allen möglichen Formen und Farben konfrontiert, die nicht unbedingt in die Kategorien „ästhetisch ansprechend“ und „kunstvoll hergestellt“ passen.
Diesem Wandel ausgesetzt ist das verunsicherte Publikum, das sich nun nicht mehr auf die traditionellen Formen der Kunst verlassen kann. Aus dieser aufreibenden Affäre zieht sich der kritische Geist des modernen Menschen zurück zu der Idee des Schönen und Meisterhaftem, bietet dies doch einen idealen Anker, um durch den Sturm der sich ständig wandelnden zeitgenössischen Kunst schmerzfrei zu segeln. Dies schränkt jedoch nicht nur passiv die Art von Kunst ein, mit welcher man Berührungen eingeht, sondern hindert aktiv daran ein ganz anderes Universum von Möglichkeiten kennenzulernen, welches zur eigenen Überraschung Anklang finden könnte.
Als ich das Kunsthaus Bregenz (SW) besuchte, war dort eine Roboterinstallation von Jordan Wolfson zu sehen, die eine „female figure“ tanzen ließ. Mit einer alptraumhaften Pestmaske fixiert die Fratze der Figur mit ihren Puppenaugen die Betrachtenden überall im Raum, um gezielt Unbehagen auszulösen. Und in der Tat fühlte ich mich während der gesamten Zeit sehr unwohl und hatte mich davor bereits gezwungen nicht aus dem Raum zu gehen. Im Gegensatz dazu, war ich vollends zufrieden der Erfahrung nicht ausgewichen zu sein, löste sie doch viele Gedankenprozesse und Diskussionen aus.
Ganz nach dem Motto „Get comfortable while being uncomfortable.“ kann zeitgenössische Kunst die Resilienzfähigkeit erweitern und sei es nur dadurch sich schlicht auf etwas Neues einzulassen z.B Videokunst, Virtual Reality oder langsam verwesende Bananen und sich zu frage: „Berührt oder bewegt mich, was ich sehe?“ anstatt sich nach der Antwort auf die Frage „Gefällt mir das?“ schnell abzuwenden. Kunst als Ort des spielerischen Experiments biete die Möglichkeit sich aktiv dafür zu entscheiden sich selbst herauszufordern und neue Perspektiven und Wege zu eröffnen, die dann über den Raum der Kunst hinausgehen und das tägliche Leben beeinflussen. Geben wir uns der Kunst voll hin und schöpfen den gesamten Rahmen möglichen Emotionen aus zwischen Glück, Bewunderung, Freude, aber auch Verwirrung, Angst, Wut, Resignation, um die individuelle Filterblase in wir Leben zum Platzen bringen.