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Fest des Essens | Video Window Kooperation mit Videocity/Basel

04.12.2022 – 30.12.2022 17:00 – 21:00

In der Kooperation mit Videocity/Basel „Fest des Essens“, kuratiert von Elisabeth Höller, Christina Böckler, Luise Hoyer und dem Videocity-Team um Dr. Andrea Domesle, dreht sich alles um die Instrumentalisierung des schönen Scheins.

In Kooperation mit Videocity aus Basel, bespielen wir den öffentlichen Raum vor dem ESSZIMMER mit dem Videoprogramm Ein Fest des Essens – passend zur Jahreszeit und den baldingen Festtagen bringt das Video-Window etwas Licht ins Dunkle:

ab dem 4. Dezember 2022, jeden Tag, jeweils 16h – 20h

Essen und Trinken sind wichtiger Teil einer Fest- und Freizeitkultur. Insbesondere zum Jahresausklang wird dies deutlich: Nahrung wird zur Instrumentalisierung eines schönen Scheins eingesetzt. Hierauf konzentriert sich der Beitrag des internationalen Netzwerkes Videocity um die Kuratorin Dr. Andrea Domesle.

Durch Klimawandel und Kriege wird die Differenz zwischen jenen, die Hunger leiden, und jenen, die eine Überfülle haben, immer deutlicher. Präsentiert werden sechs Videokünstler:innen. Sie stammen aus Äthiopien, Deutschland, England, Österreich, Russland und Südkorea. Deutlich wird in den Videos, wie stark Herkunft und Gesellschaft sich auf die Darstellung der Nahrungsaufnahme auswirken.

Die Werke sind zwischen 2005 und 2020 und damit in unterschiedlichen Systemen entstanden. Alles beginnt zunächst bunt, glitzernd verlockend oder gar kindlich unbedarft, wobei das bittere Ende, bei welchem einem der Bissen im Halse stecken bleibt, früher oder später einsetzt.

kuratiert von:
Elisabeth Höller, Christina Böckler und Luise Hoyer

Künstler:innen
Dmitry Bulnygin, Lia Anna Hennig, Paul Horn & Harald Hund, Alexandra Mitlyanskaya, Gyonyoung Yoon, Ezra Wube.

Dmitry Bulnygin | „Spring (Salut)“ (2010) 3:40 Min., mit Ton

Jahr für Jahr am 31. Dezember, genau um Mitternacht, heissen die Menschen der westlichen Welt das neue Jahr willkommen. Es ist ein Neuanfang. Eine neue Hoffnung. Ein neues Versprechen, in diesem Jahr alles besser zu machen. Und doch geht alles vorbei, wie ein Feuerwerk am Nachthimmel.

Die dunklen Flügel von Dmitry Bulnygin’s „Essens-Feuerwerk“ unterstreichen die Flüchtigkeit des Momentes.

Wir blicken 3 Minuten und 40 Sekunden lang auf den Monitor. Es ist ein verzauberter Ort. All die Köstlichkeiten, die so sorgfältig für die „Nacht der Neuanfänge“ vorbereitet wurden, fliegen durch den Himmel. Würstchen, Salate, Fisch, Gemüse, Apfelkerne, zerbrochene Champagnerflaschen. Alles ist schon gegessen, zerbrochen oder zerschlagen. Und der Kreislauf startet von vorne, das neue Jahr ist nicht mehr neu.

Welch ein merkwürdiger Gedanke – jede Neuheit wird alt, in dem Moment, in wem wir sie erkennen.

So viele Menschen blicken in den Himmel und bewundern das Schimmern der hellen Lichter. Es sind dieselben Menschen, die einige Minuten später wieder nach unten schauen.

Die süsse Euphorie ist vorbei.

Die kollektive Begeisterung ist vorüber.

Doch jedes Finale implementiert zugleich einen Neuanfang.

 

Text: Inna Humeniuk

Lia Anna Hennig | „Sweet Pieces and the Sound of the Birth of a Fish“ (2005) 5:04 Min., mit Ton

Im Œuvre von Lia Anna Hennig sind vorwiegend Lebensmittel thematisiert und werden von ihr als Material für die einzelnen Videowerke verwendet, meist auf surreale und provokante Art und Weise. So setzt sie in ihrem Video Sweet Pieces and the Sound of the Birth of a Fish aus dem Jahr 2005, in einem fünfminütigen Video ein Fisch mit Hilfe der Stop-Motion-Technik Stück für Stück zusammen. Es handelt sich dabei um eine Filmtechnik, bei der durch das Aneinanderreihen einzelner Bilder von unbewegten Motiven die Illusion der Bewegung generiert wird.

Die Betrachtenden blicken von oben auf eine helle Fläche, auf welcher sich die Fragmente des Fisches wie von Geisterhand zu einem Ganzen fügen. Der Eindruck des Gespenstischen wird dadurch verstärkt, dass sich die einzelnen Fragmente immer wieder über den statischen Bildausschnitt bewegen, um sich schlussendlich in der Mitte des Bildes wie von selbst anzusammeln. Auch die schattenlos gleichmässige Ausleuchtung trägt zu diesem Eindruck bei. Allein durch ihre rötliche Färbung heben die Fischteile sich vom hellen Grund ab.

Zu Beginn des Videos erinnert das sich bildende Wesen eher an ein surreales Monster als an einen Fisch. Nach und nach begeben sich alle Körperteile zurück an ihren Platz, als würden sie ihre eigentliche Funktion wieder aufnehmen wollen. Die erste Sequenz zeigt eine kleine, fast transparente Blase. Diese erinnert im ersten Augenblick an ein Fischei. In dem darauffolgenden Abschnitt des Videos ist ein Fischauge zu sehen, welches sich im Bild umher bewegt und schliesslich seinen Platz mittig im Bild findet. Um das Auge herum bildet sich schrittweise der Körper, erst Skelett und Muskeln, später auch Organe, aus. Abschliessend verschliesst die Fischhaut den Blick ins Innere des Fisches und es bilden sich die Flossen. Als er sich vollständig zusammengesetzt hat, „schwimmt“ er bewegungsvoll aus dem Bild nicht ohne noch einige Male zurückzukehren.

Im ersten Moment sorgen die wundersamen Laute, welche während des Zusammensetzens des Fisches ertönen, für Verwunderung. Erst bei genauerem Hinhören können die Worte „Blubb“ oder „Gluck“, neben weiteren Tönen, wahrgenommen werden. „[…] Der Ton besteht aus einer Collage von Klängen, die alle von mir gemacht und aufgenommen wurden…“(Lia Anna Hennig an Leoni Reiber, 25.08.2020). So werden die einzelnen Veränderungen an dem Fisch mit Geräuschen untermalt und heben damit jeden Bewegungsmoment hervor.

Durch die Art und Weise der Komposition der Tonspur wird spätestens deutlich, dass Lia Anna Hennig sich auf ältere Filmtechniken bezieht. Auch im Stummfilm wurde der Ton zum Bild komponiert, sodass sich mit den Bildsequenzen eine Choreographie ergab.

Die Künstlerin gibt selbst wenig Informationen zu dem Video und lässt somit viel Spielraum für Interpretationen. Der Fisch als christliches Symbol findet in der Kunstgeschichte wiederkehrend seinen Platz. Neben frühchristlichen Werken, in denen der Fisch die Taufe und somit das Bekenntnis zur Christenheit symbolisieren, ist dieser auch in der späteren Genremalerei in Stillleben zu betrachten. In der heutigen Zeit steht der Fisch weniger als christliches Symbol, sondern vielmehr als Nahrungsmittel im Vordergrund.

 

Text: Regina Heinzelmann

Harald Hund und Paul Horn | „Mouse Palace“ (2010) 10:24 Min., mit Ton

Die Filme von Paul Horn und Harald Hund greifen Momente von Slapstick, Absurdität und Ironie des Alltags auf, bei denen Gesetze der Physik und Gravitation sowie Grössenverhältnisse umgestoßen und damit die Brüchigkeit unserer Realität ins Bewusstsein der BetrachterInnen gerückt werden. Real gefilmte Situationen, die als fiktionale Szenen dargestellt werden, verhandeln tradierte Lebensmodelle, bei denen unübliche Ereignisse zutage treten.

Für die Arbeit „Mouse Palace“ wurde nach dem Vorbild einer existierenden Wohnung ein Apartment im Maßstab 1:10 aus Lebensmitteln gebaut und Mäusen als Wohnraum zur Verfügung gestellt. Der Film ist die Fortführung einer filmischen Wohnserie von Horn und Hund, zu der „Tomatenköpfe“, „Dropping Furniture“ und „Apnoe“ zählt. Während bei „Tomatenköpfe“ die Schwerkraft in die entgegengesetzte Richtung zieht und die ProtagonistInnen bemüht sind, an gewohnten Körperritualen festzuhalten, stehen ihnen die Haare zu Berge bzw. steigt ihnen das Blut in den Kopf aufgrund der von der Decke hängenden und verkehrt gefilmten Position. Bei „Dropping Furniture“ fliegen Möbelstücke durch die Gegend und zerbersten. „Apnoe“ wiederum führt in eine als Familienalltag erscheinende Unterwasserwelt, in der sämtliche Handlungen ganz lapidar abzulaufen scheinen. In diesen Videos scheint zunächst alles in Ordnung zu sein, bevor sich erahnen lässt, welche Tropen die beiden Künstler anwenden, um den gezielten Verfremdungseffekt mithilfe physikalischer Eingriffe zu erreichen.

In „Mouse Palace“ nehmen Mäuse den Platz von Menschen ein und treiben die Absurdität einen weiteren Schritt voran. Was zunächst wie eine normal eingerichtete Wohnung aussieht, enttarnt sich als Miniaturobjekt, sobald die erste Maus die Bühne betritt. Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass sämtliches Mobiliar aus Essensteilen besteht. Die Nagetiere richten sich zunächst in ihrem neuen Lebensraum ein, bevor sie ihrem Namen gerecht werden. Langsam beginnen sie die alimentarischen Teile zu erkennen und anzuknabbern. Der darauffolgende Verfallsprozess der Essensteile und Wohnungsinhalte wird zusätzlich von den heftigen Revierkämpfen zweier Männchen begleitet.

Mit diesem und anderer Videos machen uns Horn und Hund bewusst, dass die Desintegration des Planeten Erde einen fortlaufenden Prozess darstellt, bei dem der Mensch selbst den Grad des Einflusses bestimmt bzw. die Kontrolle bereits verloren hat. Welche Einflüsse nimmt das Anthropozän auf die Veränderung von Klima und Ressourcen und welche Regulative stehen noch zur Verfügung, um diesen unausweichlichen Veränderungen gegenzusteuern? Diese Fragen verhandeln Horn und Hund in ihren filmischen Welten, die zwar absurd anmuten und Miniaturwelten darstellen mögen, aber nicht weit entfernt von den drastischen Veränderungen der physikalischen bzw. klimatechnischen Gesetze auf unserem Planeten zu sein scheinen. Der Verlust von Existenz manifestiert sich in diesen Filmen als unabdingbares Szenario einer zukünftigen Weltordnung, was jüngst durch die pandemische Geste bekräftigt wurde. Misanthrope Verhaltensweisen unterstützen diese Geste und führen zu unabsehbaren politischen Interaktionen. Letzteres lässt sich in dem Video erkennen, wenn auch als Fabel versteckt oder als Groteske wiedergegeben.

 

Text: Walter Seidl  

Alexandra Mitlyanskaya | “Concerto” (2005) 3:25 min., with sound

A black sun with blue rays welcomes the viewer to Alexandra Mitlyanskay’s Concerto, resonating both dramatically and teasingly to the grandiose Tchaikovsky’s Symphony No. 6 – Adagio Allegro Non Troppo. Or is it just a kitchen? A ballet of eggs floats gracefully across the screen, machines crush and grind, wine spills on the white tablecloth. Objects have become alive, moving by their own volition whilst performing their intended functions.

Concerto reveals intrigue and enjoyment in ordinary sequences that we are well too used to. Kitchen utensils, food and drink embody shapes and colours – they are the primary materials of the composition. Mitlyanskaya uses the format of video art similarly to painting: the more you are looking, the more you see. Duration becomes an essential variable to the construction of the image world, where repetition marks our rhythmic journey.

The choice of Tchaikovsky seems obvious: instantly recognisable, it offers a stark contrast – high culture versus with the everyday of a utilitarian Russian kitchen. Concerto’s sequences sink and toy with the music; by the time you get to desert the mood drops. The meltdown is even more dramatic in slow-motion. The olives however save the party, waltzing before being washed away. The curtain drops, all motion and colour disappearing down into a vortex.

Yet, as trivial as they seem, the chosen objects on screen bare instant connotations. As a Russian who has spent most of my life abroad, I instantly recognised their homeliness and time reference – early 2000s at my grandmother’s flat. The white hob, the austere meat grinder and the teabag with the red label brewed in a glass cup and saucer – all of these are like a time capsule of shared experiences recognised by many generations. Their old-fashionedness is a marker of a specific time before Western design became the new norm. In our recent conversation, Mitlyanskaya mentioned her fascination with these nostalgic objects together with the stories they tell. I couldn’t help but think about Ilya and Emilia Kabakov’s installation titled Incident in the Corridor Near the Kitchen. Dated 1989, the work is composed of pots and pans of diverse sizes hanging above dirty pieces of cardboard with idyllic landscape paintings in the background. The viewer encounters the set whilst standing in front of a music stand, on which the music page tells us the story of a fictional character called Olga Yakovlena, who walked past the communal kitchen on a morning and was stunned to see pots and pans fluttering about like birds.

Why do we impose boredom onto objects? What if we let the objects conduct their own narratives? Both Mitlyanskaya and the Kabakovs prove that the kitchen is a space of surreal normality, where our expectations can be challenged.

 

Text: Polina Chizhova

Gyonyoung Yoon

  • Filling in physical reality, living in digital reality: When do you miss home the most? 1. On Holiday, 2020, 1:06 min., with sound
  • Filling in physical reality, living in digital reality: When do you miss home the most? 2. When I eat, 2020, 1:04 min., with sound
  • Filling in physical reality, living in digital reality: When do you miss home the most? 3. When I rest, 2020, 1:04 min., with sound

Filling in physical reality, living in digital reality (2020) is a video in three chapters by the South Korean-born artist Gyonyoung Yoon, which explores three moments of homesickness: on holiday, whilst eating and whilst resting.

Each video starts by showing the artist in rather dull and inhospitable settings. Gyonyoung mostly films herself in a fully white bedroom with the typical white bed sheets and the standardised furniture of student dorms. She sits on her bed whilst folding little origami birds, she eats soup –directly from the pot, or rests while hugging a pillow. These plain scenes are contrasted with idyllic, luxurious animated scenarios that appear in the form of a constellation of wishes and memories. There, the artist meets beloved people in lush greenery. She is overwhelmed by mouth-watering food and embraced by a relaxing, cosy night landscape. Yet, we soon realise that these are ‘just’ virtual environments visualising some wishful thinking, as we witness how the scenarios load and play for the artist’s amusement, not without some usual glitches.

Both ‘loneliness’ and ‘food’ are central topics of this work. The artist explains that as an international student living far away from home, she struggled to find – or rather to build for herself – a place where she belongs. Therefore, ‘instead of struggling to make a home in my physical reality, I decided to make it in digital reality by applying digitally-recreated layers over my physical reality, hoping to fill in the blanks I have in my life and my mind’ (Gyonyoung Yoon, 2020). Loneliness is signalled by the emptiness of the room, which stands for the impossibility of making a new physical place one’s own. Thus one feels like a stranger, alone even in one’s most private space.

In the second chapter, food becomes the main protagonist. Digital reality has became a way for the artist to fabricate what she longed for, in this case, special Korean food. Its colours, fragrances and textures create an immediate link to memories, places, people… a bit like Proust’s madeleine. The artist visually expresses her longing in direct and appealing terms thus allowing the viewers to identify themselves in her personal experience. It doesn’t take years of living abroad to empathise with Gyonyoung’s experience. Homesickness, in the form of missing people, places and even specific tastes and textures is a widely shared feeling. Digital means have now given us tools –even if often palliative and ephemeral– to fill in many of these blanks.

 

Text: Chiara Giardi

Ezra Wube | „Wenzu” /Der Fluss (2011) 3:09 Min., HD, mit Ton

Während Ezra Wube normalerweise mit Stop-Motion-Animation arbeitet, ersetzt er in Wenzu die Abfolge von Farbschichten durch die Nutzung von Lebensmitteln und die Aufzeichnung des natürlichen Wachstums von Bohnenpflanzen. Er erzählt uns vom Prozess der Entstehung des Werkes: „Ich habe für das Projekt ein Gewächshaus gebaut und eine Bohnenpflanze gesät. Auf einer Glasplatte, welche über das Gewächshaus gelegt wurde, habe ich mit Salz, Tomaten, Zwiebeln, Zwerghirse und Linsen die Geschichte animiert, während im Hintergrund die Bohnen beim Wachsen zu sehen sind. […] Eine Standbildkamera, die an einen Computer angeschlossen und über dem Gewächshaus angebracht war, nahm jedes Bild auf.“

Die Lebensmittel werden in Scheiben geschnitten, zerkleinert, ausgebreitet, gesammelt und wieder verteilt und erwecken so die Charaktere und Landschaften des äthiopisch urbanen Märchens zum Leben. Wie das rauschende Wasser des Flusses ist das Essen in ständiger Bewegung und wird so zu Worten, Fell und Pelz, Spiegelung oder Schaum. Der Lauf der Zeit in der Geschichte wird lediglich durch das Wachstum der Bohnen im Hintergrund unterbrochen.

Tatsächlich erlaubt uns Wubes Video, mehrere Ebenen von Zeitlichkeit simultan zu erleben. Die erste Ebene ist die Kindheit des Künstlers in Äthiopien. Während seines Aufwachsens hörte er seiner Grossmutter zu, als sie ihm die Geschichte von einem Esel und einer Hyäne die im Streit liegen erzählte, bis er mit 18 Jahren in die Vereinigten Staaten aufbrach. Die zweite Ebene ist eine Reise in die Heimat im Jahr 2004, wo er seine Grossmutter ein letztes Mal aufnahm, wie sie die Geschichte Wenzu erzählte. Die letzte Ebene spielt sich einige Jahre später ab, bei der Entstehung des Videos im Atelier des Künstlers in Kalifornien. Hier erzählt er die Geschichte Bild für Bild.

Durch das Aufzeichnen des Kommens und Gehens der Lebensmittel wird Wenzu für den Künstler zu einer erweiterten Möglichkeit, die Themen die sein Oeuvre auszeichnen zu erforschen: die „Ideen von Zugehörigkeit bei Vertreibung und bei Verlegung, die Vorstellung von Vergangenheit und Gegenwart, der ständige Ortswechsel und die dialogische Spannung zwischen „hier“ und „dort“.“ In ähnlicher Weise verweist das rastlose Fliessen des Flusses, welches im Medium des Animationsfilmes eine formale Entsprechung findet, symbolisch auf die Migrationserfahrung des Künstlers.

Ezra Wube nutzt in Wenzu das Essen als “Erinnerungswecker”, der in der Lage ist, Brücken zwischen Kontinenten und damit zwischen Kulturen zu schlagen.  So werden auch Gegenwart und Vergangenheit miteinander verbunden. Die „Zutaten“ der Geschichte – Salz, Tomaten, Zwiebeln, Zwerghirse und Linsen – sind diejenigen, die von seiner Großmutter bei der Zubereitung von Gerichten aus seiner Kindheit verwendet wurden. Dem Essen kommt die schon fast magische Funktion zu, Erinnerungen an eine Person aus der Vergangenheit wachzurufen. Die Gerüche und der Geschmack, die häufig beobachteten Gesten und Bewegungen: Sie werden während der Entstehung des Videos wachgerufen und zeigen den Versuch des Künstlers, seine Grossmutter – zumindest für die Dauer der Geschichte – wieder ins Leben zurück zu bringen.

So werden Erinnerungen durch Gerüche aber auch von Erzählungen und Fabeln aus der Kindheit geweckt. Wenzu zu sehen und zu hören bedeutet diese Geschichte über Äthiopien durch die kindlichen Augen des Künstlers zu entdecken. Die Moral von Wenzu ist folgende: Die an Strassenecken, Geschäften und Cafés erzählte Geschichte dient dazu, zu aufdringliche Personen in ihre Schranken zu weisen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich – metaphorisch gesprochen – mit eingezogenem Schwanz von dannen zu machen.

 

Text: Hortense Albisson

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