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Metaphern im Galeriewesen – spirituelle Aneignungen?
Wieso ist das Esszimmer nach einem Raum benannt, der zuerst wenig bis gar nichts mit Kunst zutun zu haben scheint? Wie kommt es dazu, dass eine Non-Profit Galerie einen solch metaphorischen Namen erhält? Überlegungen zu Metaphern und Spiritualität.
Wieso ist das Esszimmer nach einem Raum benannt, der zuerst wenig bis gar nichts mit Kunst zutun zu haben scheint? Wie kommt es dazu, dass eine Non-Profit Galerie einen solch metaphorischen Namen erhält? Gleichwohl kommt mir die Reminiszenz an meinen ersten Tag im ESSZIMMER, als ich mir genau diese Fragen stellte und mir noch nicht ganz bewusst war, was es bedeutet für eine, in einer Non-Profit Galerie zu arbeiten.
Die Kunstwerke, die die Gründerin und Schweizer Künstlerin Sibylle Feucht hier ausstellt, bieten ein breites Spektrum an verschiedenen Medien. Oft sind es Konzepte, Statements oder auch komplexe Projekte. Diese laden das Publikum weniger dazu ein, sich zu überlegen, welches Werk nun am besten an die Wand über dem Esstisch passt. In kommerziellen Galerien oder auf Kunstmessen ist das meinem Empfinden nach Gang und Gebe, denn in einem solchen Kontext steht der Kauf und Verkauf schließlich bewusst im Vordergrund. Im Esszimmer eben nicht – und ein Grund dafür ist mir nach und nach immer bewusster geworden.
Denn wie verkauft man ein Werk, dass konzeptionell ist, wie Jonas Hohnke’s „Sender-Empfänger“ Betonblöcke, etwas kinetisches wie Willi Reiche’s Kunstmaschine „Sports“ oder ein künstlerisches Video von Joachim Zoepf? Bei den traditionelleren Medien der Kunst, zum Beispiel der Malerei oder Fotografie, ist ein Kauf bzw. Verkauf denkbarer. Und sogar in einer Non-Profit Galerie wie dem Esszimmer möglich. Im Endeffekt wären Jonas Hohnke’s beiden Betonblöcke ebenso verkäuflich wie seine Fotografie „Die Welt“, sein Teppich ohne Titel oder seine bedruckte Gardine. Diese Erkenntnis verwunderte mich zunächst, jedoch ging mir gleichzeitig ein Licht auf. Und die Metapher „das Esszimmer“ durchdrang mich auf einmal auf tieferen Ebenen.
Oft sind es die kleinen aber feinen Unterschiede, wie wir einen Ort benennen und wie wir diesen am Ende wahrnehmen. Das Esszimmer ist ein Ort, wo Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne für ihre Statements geschaffen wird. Ein Ort an dem frei gearbeitet werden kann, wo man diverse Stimmen hör- und sehbar macht. Ein Ort wo man, wie in einem Esszimmer, gemeinsam über die Kunstwerke sprechen und diskutieren kann. Es hat am Ende einen Mehrwert, sowohl für die Künstlerinnen und Künstler als auch für die Besucherinnen und Besucher. Denn ein metaphorischer Name, insbesondere für eine Non-Profit Galerie, schafft einen Zugang zu den hier ausgestellten Kunstwerken.
Metaphern können, wie ich später recherchierte, ein gutes Instrument sein, nicht nur um Menschen in eine Ausstellung zu locken, sondern auch um sie mit einem Wortspiel zu verlocken, sodass man direkt weiß, dass hier eine besondere Intimität und Austausch auf einen wartet. Wird man von jemanden zu einem Essen eingeladen, weiß man schließlich auch nie im voraus was genau auf einen zukommen wird. Diese Ungewissheit, die die Gespräche über Kunst so offen und dynamisch halten, und die oft im vornherein besteht, macht es am Ende eben so spannend und befriedigend.
Spannende Themen wie „Kunst im öffentlichen Raum“ wäre da zum Beispiel so eine Debatte für sich. Vor allem in der heutigen Zeit. Immer mehr scheinen uns die Fragen nach öffentlich zugänglicher Kunst, der Demokratisierung von Kunsträumen oder Kunst im Alltag zu beschäftigen. Denkt man ein, zwei Jahrhunderte zurück, zum Beispiel an die prunkvollen Baustile und mannigfache Architekturgestaltung, die von dekadenten Königen veranlasst wurde, und somit damals als Kunst in der Öffentlichkeit gegelten haben konnte, wundert es mich persönlich ganz und gar nicht, dass Kunst im öffentlichen Raum heutzutage ein wichtiges Thema bleibt. Heutzutage wird es aber kaum mehr von PolitikerInnen oder Ministerien vorangetrieben, sondern von Kunst- und Kulturschaffenden gefördert.
Lange Zeit waren Kunststätten wie Galerien und Museen für zeitgenössische Kunst, besonders gerne in die Form eines klassisch-modernen White Cube gesetzt, als moderne Kathedralen oder als sakrale Tempel der Kunst, wo wiederum eine religiös-spirituelle Metapher vorliegt. Es sind Orte der insbesondere persönlichen Reflexion. Doch im Esszimmer bekommt die Metapher eine ganz neue Form der Spiritualität zugeteilt – eben ein Ort wo Menschen zusammen kommen um über Kunst zu sprechen, oder sie gemeinsam zu relfektieren. Dabei so eng miteineinader wie im Esszimmer mit Freunden und Familie.