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Ästhetisierung der Atombombe in der Kunst

31.03.2022 | Hai Yen Dau

Die Angst vor einem Atomkrieg, der für die meisten unmöglich zuvor schien, steigert sich mit dem Krieg in der Ukraine.

Die Atombombe und vor allem der Atompilz wurden trotz ihrer zerstörerischen und schrecklichen Folgen in einer ästhetischen Form in der Kunst dargestellt. Atombombenexplosionen sind für viele von uns eine Katastrophe, die wir nur aus Dokumentationen, Geschichtsbüchern, Kunst oder Fotografie kennen. In der Zeit des 21. Jahrhunderts gibt es keine aktuellen Bilder von der Nutzung der Atomwaffe für kriegerische Zwecken. Die meisten würden behaupten, dass wir wahrscheinlich einen nuklearen Krieg nie miterleben würden. Zu der jetzigen Zeit aber gibt es aufgrund des Krieges in der Ukraine vermehrt Gespräche über einen Atomkrieg, sodass mehr Menschen sich mit der Bedrohung auseinandersetzen.

Die Ästhetik der Explosionen könnte man schon als furchtbar schön bezeichnen. Der Kunsthistoriker Jörg Trempler argumentiert, dass wenn der moderne Mensch permanent mit dieser Katastrophe der Atombombenexplosionen zu leben hätte, notwendigerweise Künstler:innen sich in der Kunst mit ihr befassen. 

In der Malerei und in der Fotografie nutzen Künstler:innen verschiedene Herangehensweisen. Maler:innen gingen damit um, indem sie die Abstraktion als Motiv der Zerstörung nutzten. Die Kunstform geht den Werken der sogenannten nuklearen Kunst lang vorher und war bereits etabliert. Neu war aber in der Kunst nach 1946, dass sie Ausdruck der permanenten Katastrophe wurde. So ist die Atombombenexplosion des Künstlers Wols von 1946, welche in der documenta II ausgestellt wurde, durch scharfe Linien, die auseinander gehen, in der Abstraktion dargestellt worden. Bezeichnet wurde sein Werk als „Nukleare Malerei“.

Der Begriff des nuclear denial, also der nuklearen Verleugnung, wie es von Psychologen geprägt wurde, war ein weit verbreiteter Verteidigungsmechanismus. Bei diesem transformiert man das Subjekt, welches zu schrecklich zu verstehen war, um. 

Die nukleare Verleugnung und die Aneignung führte dazu, dass damals in den 50er und 60er Jahren die Bilder der Explosionen als marktfähig angesehen wurden. Die eigentliche Funktion der Kamera bei der Dokumentation der Atombombe ist die Aufnahme der Explosionen und nicht die Produktion von Kunst. Dennoch sind die fotografischen Produkte von ihnen Bilder mit einem ästhetischen Wert. Fotografien von Atompilzen in der historischen Kollage des Bradbury Science Museums von 1962 stellten die Explosion wie in einem Kunstwerk dar. Sie zogen Aufmerksamkeit auf sich durch ihren ästhetischen Wert und weniger durch den Wert der Dokumentation. Man konnte diese Fotos kaufen, sich in seinem vertrautem Wohnheim aufhängen und damit sein Umfeld schmücken.

Zur Ästhetisierung des Atompilzes spielten mehrere Faktoren zusammen. Mit der nuklearen Waffe hat der Mensch es geschafft, in die Natur einzugreifen, fast wie Gott. Der Begriff Atompilz gab dem Phänomen einen natürlichen Charakter, der dieses noch einmal verstärkte.

Jetzt bin ich zum Tod geworden, Zerstörer der Welten.

Robert Oppenheimer, aus Bhagavad Gita, einer heiligen Schrift des Hinduismus

Die Wahl des Bildausschnitts hatte ebenfalls einen Einfluss in der Ästhetisierung der Atompilze. In der Fotografie wurde versucht, die Wolke in ihrer ganzen Größe zu dokumentieren. Dies hatte zur Folge, dass man den freien Himmel über der Wolke fotografierte, während der Boden beschnitten wurde. Diese distanzierte Perspektive führte zur Vernachlässigung irdischer Konsequenzen; die Fotografien vermittelten einen schon nahezu sakralen Eindruck.

Ob die Atombombenexplosion zu furchtbar ist, um schön zu sein oder nicht: Die Ästhetisierung und der gewisse Grad an Abstraktion, sei es in der Kunst oder der Fotografie, führte dazu, dass sie zu einem ikonischen Motiv wurde.