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Kann Kunst in der Therapie Kunst sein?

17.02.2022 | Marie Kinnen

Kunsttherapie ist ein Begriff der vielen rätselhaft erscheint und Fragen aufwirft, der zugleich jedoch ein neues Berufsfeld darstellt, was sich zunehmend in der Gesellschaft verbreitet und etabliert.

Kunst in der Therapie wird oft hinterfragt, da Kunst für viele mit einer gewissen ästhetischen Qualität einhergeht. Würde sich nicht eher der Begriff Maltherapie eignen oder ist Kunst ihrem Stellenwert in der Therapie gerechtfertigt?

Im Kontext der zeitgenössischen Kunst, steht Kunst in einem engen und offenen Zeit- und Raumverhältnis. Sie entfremdet sich von klassischen und konservativen Erwartungen bezüglich der Ästhetik und erfüllt keinen rein dekorativen Zweck. Sie stellt kein eigenständiges Werk dar, sondern zeichnet sich durch ihren zeitlichen Prozess, ihre Entwicklung, ihre Mehrdeutigkeiten und ihre kommunikative Interaktion aus.

Oft wird Kunst im therapeutischen Setting aufgrund von Vorurteilen, mangelndem Wissen oder eingeschränkter Sichtweise nicht als Kunst angesehen. Es wird angenommen, Kunst in der Therapie würde, im Gegenzug zur Kunst, keiner oder einer geringeren Entwicklung unterliegen.

Auch in der Kunsttherapie spricht man von einem Zeit-und Raumverhältnis. Der/Die Patient:innen befinden sich in einem zeitlichen Prozess der Entstehung wo innerseelische Zustände und äußere Bezüge sichtbar gemacht werden. Wie in der Kunst befindet er sich in einem besonderen Rahmen wo das Gestalten bewusst wahrgenommen wird. Beim Betreten dieses Raumes überschreiten die Patient:innen – wie auch die Künstler:innen – die Grenze zu einer anderen, äußeren Welt, die dem Anderen fremd zu sein scheint. Ab dem Moment kann man von Entwicklung sprechen. Hinzu kommt, dass Kunst im therapeutischen Setting als besonders entwicklungsfördernd angesehen wird. Auch wenn dies auf einer persönlichen Ebene beginnt, heißt es nicht, dass das Werk sich nicht weiterentwickeln kann.

Das Werk zeichnet sich wie die Kunst durch eine gewisse Offenheit und Abhängigkeit aus, da es sich in einem ständig wechselnden dialogischen Austausch zwischen den Patient:innen, den Therapeut:innen und der Außenwelt (bei vorhandenen Ausstellungen) befindet. Die Weiterentwicklung des Werks ist also von dem örtlichen Transfer und der äußeren Kommunikation abhängig, um nicht, als ein in sich geschlossenes und autonomes Werk, verstanden zu werden. Indem das Werk also mit dem Blick des Anderen konfrontiert wird, wird Raum gegeben oder eröffnet zu konflikthaften Mehrdeutigkeiten, Komplexitäten und Varietäten. Es könnte zum Beispiel, über verschiedene Blickwinkel und persönliche Ansichten auf das Dargestellte diskutiert werden, was es in einem selbst auslöst oder ob und inwiefern man sich darin selbst wiedererkennt.

Wenn man also davon ausgeht, dass Kunst zwingend eine Entwicklung beschreiben muss um Kunst zu sein, so kann man feststellen, dass Kunst in der Therapie auf einer inneren Entwicklung basiert wie auch auf einer äußeren. Kunst in der Therapie ist also nicht weniger Kunst als Kunst, sie wird nur von denen als Kunst verstanden die diese mehrdimensionale Entwicklung unvoreingenommen zulassen. Denn nur Unvoreingenommenheit kann der Kunst Raum zum Wachsen geben.