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Kunst & Wahrnehmung – Ein Erfahrungsbericht

09.08.2021 | Andreas Haußmann

Die Wahrnehmung von Kunst ist ein sehr individueller und subjektiver Prozess.
Wenn man über Kunst spricht, haben meist alle ein bestimmtes Bild vor Augen und ganz gezielte Erwartungen.

Doch Kunst kann manchmal auch mehr sein, wenn man bereit ist, seine individuellen Ansichten und Erwartungen zurückzustellen und sich anderen Dingen gegenüber zu öffnen.

In den meisten Fällen, wenn man von oder über Kunst spricht, kommen einem große Namen wie Pablo Picasso, Vincent van Gogh oder Henri Matisse in den Sinn. Zudem denken viele, wo ich mich auch selbst dazu zählen kann, bei Kunst überwiegend an Bilder bzw. Gemälde.

Ich bin 26 Jahre jung, gelernter Maler und Lackierer, habe mein Abitur auf dem Abendgymnasium nachgeholt und absolviere eine Ausbildung zum gestaltungstechnischen Assistenten. In den ganzen Jahren bin ich immer wieder mit Gestaltung und Kunst in Berührung gekommen. Nicht nur durch meine gestalterische Ausbildung und meiner Leidenschaft für Street Art und Pop Art, sondern auch schulisch war Kunst immer ein Thema für mich, z.B. im Abitur, als eines meiner Prüfungsfächer.

Natürlich haben wir dort auch über berühmte und wichtige Maler der vergangenen Jahrhunderte gesprochen und deren Werke, überwiegend Gemälde betrachtet und analysiert. Nichtsdestotrotz hat sich auch dort, im Kunstunterricht, meine Wahrnehmung bezüglich Kunst angefangen zu verändern. Spätestens als wir nicht nur Plastiken und Skulpturen betrachtet haben, sondern uns auch mit diversen Rauminstallation auseinandergesetzt haben, in denen viele unterschiedlichste Materialien und Gegenstände verarbeitet und zu einem komplett neuen Kunstwerk zusammengesetzt wurden.  Ein Beispiel dafür ist die Künstlerin Louise Bourgeoise, die mit ihren Rauminstallationen destruction of the father oder cells auf ihre Weise, ihre Wahrnehmung und Erfahrungen des Lebens verarbeitet und präsentiert hat. Kunstvolle in Szene gesetzte Objekte, welche allein für sich schon eine Bedeutung haben, wirken zusammen als ein großes Werk und vermitteln eine ganz neue Botschaft. 

Bis dahin war ich auch immer der Ansicht gewesen, dass Kunst hauptsächlich aus Gemälden, Malerei, Formen und Farben bestehen muss, doch dies bezüglich bin ich, letzten Endes vor allem in meinem Praktikum im ESSZIMMER, eines Besseren belehrt worden. In meiner Zeit im ESSZIMMER habe ich diverse Ausstellungen begleitet. Meist waren diese ebenfalls Rauminstallation gewesen, aus den unterschiedlichsten Dingen und Materialien.

Es können Gegenstände sein, welchen wir alltäglich über den Weg laufen, oder wir an jeder zweiten Straßenecke sehen.

Welche Ausstellung mir diesbezüglich am meisten im Gedächtnis geblieben ist und weshalb ich über dieses Thema schreibe, war eine Ausstellung von dem Düsseldorfer Künstler Kai Richter, im Rahmen unseres Projektes PASSAGE, welche teils aus Bauschrott bestand. Alte Dielen, Holz, ein Baustrahler, Betonstücke und noch mehr aussortierte Baumaterialien, wurden zu neuen ästhetischen Werken zusammengebaut und in Szene gesetzt. 

Im ersten Moment schien mir das alles ein bisschen suspekt zu sein, aber nach längerem betrachten und auseinandersetzen mit dem Werk, dem Künstler, seiner Intention und zu gleich dem Zurückstellen meiner eigenen Erwartungen und Ansichten, bot sich eine ganz neue Perspektive.

Für mich war dies eine positive Erfahrung. Nicht nur da ich aufgrund meiner Ausbildung zum Maler und Lackierer selbst mit einigen der ausgestellten Materialien und Gegenstände in Berührung gekommen bin und dadurch schon positive Assoziationen zu den Dingen hatte, sondern auch weil es mich positiv überrascht hat, dass sich jemand Zeit nimmt die Gegenstände, welche als Bauschrott im Abfall gelandet wären, anzugucken, ihren ästhetischen Wert zu erkennen, die Geschichte zu verstehen und zu respektieren, sowie das Beste aus ihnen noch herauszuholen.

Und da habe ich dann realisiert, dass Kunst eben nicht immer nur etwas gemaltes oder gezeichnetes sein muss.

Wenn man sich offen gegenüber Kunst gibt und versucht die Geschichte hinter den Werken nachzuvollziehen, und/oder versucht die Intention eines Künstlers zu verstehen, warum dieser dieses Kunstwerk so gestaltet hat, wie es gestaltet worden ist, fängt man an seine Haltung und Sichtweise auf Dinge zu verändern und somit, auf zumindest eine Art und Weise, Kunst zu verstehen.

Mit dieser neuen Art von Wahrnehmung, der Offenheit anderen Dingen gegenüber, ist Kunst kein definierter Begriff mehr, sondern kann auf unterschiedlichste Weise verstanden und interpretiert werden, was Kunst dann eben so vielfältig macht.

Jedes Objekt das wahrgenommen und verstanden wird, kann durch die Wahrnehmung, auf verschiedenste Art als Kunst definiert und betitelt werden, wobei diese Einschätzung durchaus immer noch individuell und subjektiv bleibt. So wird auch selbst, aus z.B. aussortierten Sachen oder weggeworfenen Müll eines anderen, für irgendjemanden ein bedeutungsvolles Stück Kunst.